Ein Unfall

Es war kein besonderer Tag. Wie jeden Morgen fuhr ich durch die Stadt zur Arbeit. Als ich mich der großen Kreuzung näherte, um sie geradeaus zu überqueren, zeigte die Ampel grün. Ich wusste, sie würde gleich auf gelb wechseln, also gab ich Gas. Vor mir hatte es ein entgegenkommender Linksabbieger gerade noch geschafft rüberzukommen. Ich sah den nächsten links vor mir und ging davon aus, er würde warten, um mich durchzulassen. Da krachte es auch schon mitten auf der Kreuzung. Meine schwere Limousine traf mit voller Wucht frontal auf das entgegenkommende Fahrzeug. Für kurze Zeit verlor ich das Bewusstsein. Als ich langsam wieder zu mir kam, war alles um mich voller Qualm und es herrschte eine eigenartige Stille. Zuerst dachte ich, es brennt, aber das war nur das Treibgas des Airbags, der sich durch den Aufprall explosionsartig aufgeblasen hatte. Offenbar war ich unverletzt. Der Sicherheitsgurt hatte mich aufgefangen, was sich durch leichte Brustschmerzen bemerkbar machte. Da sich der andere Wagen durch den Aufprall gedreht hatte und jetzt links von mir stand, musste ich mich durch die Beifahrertür ins Freie quälen. Die Vorderseite meines Wagens war stark eingedrückt, Kühlflüssigkeit lief aus, Fahrzeugteile und Scherben lagen überall herum. Ich fühlte mich benommen, depremiert und hilflos.
Inzwischen waren auch die Insassen des anderen Autos ausgestiegen. Es handelte sich um eine türkische Familie. Niemand schien ernsthaft verletzt zu sein. Der Fahrer, ein älterer Türke, kam sofort auf mich zu und redete wild gestikulierend auf mich ein: „Du bei rot gefahren, du schuld!“ Seine Frau und die Tochter weinten. Ich wies die Anschuldigungen des Mannes sofort zurück und holte mir Bestätigung bei dem Fahrer des Wagens, der rechts hinter mir zum Stehen gekommen war. Da traf auch schon die Polizei ein. Sie fragte, ob jemand verletzt sei, prüfte die Papiere und nahm alles zu Protokoll. Anschließend stiegen die Türken in einen inzwischen eingetroffenen Sanitätswagen ein und wurden zur Untersuchung ins Krankenhaus gefahren. Irgendwann kam der Abschleppdienst und holte zunächst das total demolierte gegnerische Fahrzeug ab.
Da stand ich nun allein mit meinem kaputten Wagen mitten auf der stark befahrenen Kreuzung und wartete geduldig. Wieder kam ein Abschleppwagen. Der Fahrer lud auch mein Auto auf, räumte alle Teile von der Straße und ich konnte mit ihm zu einer Vertragswerkstatt fahren, die nur wenige hundert Meter entfernt lag. Dort musste ich wieder warten. Als ich an der Reihe war, sagte mir der Kfz-Meister, nachdem er sich mein Auto angeschaut hatte, dass es wahrscheinlich ein Totalschaden wäre.
Einige Zeit später bekam ich einen Mietwagen zur Verfügung gestellt und fuhr damit weiter ins Büro. Da gerade Mittagspause war, ging ich gleich mit meinen Kollegen zum Essen und erzählte ihnen von dem Unfall. Sie waren beeindruckt, dass ich das Ganze so leicht weggesteckt hätte. Vielleicht sah das so aus, aber eigentlich fühlte ich mich nach dem Unfall ein wenig verändert, wie geistig abwesend oder unter einem leichten Schock. Am Nachmittag telefonierte ich mit der gegnerischen Versicherung und der Leasingfirma meines Wagens. Dann schrieb ich einen Unfallbericht und schickte ihn per Fax ab. Die Schmerzen in der Brust nahmen zu und vernünftiges Arbeiten war mir nicht möglich. Also fuhr ich am Spätnachmittag in die Klinik. Dort wurde ich mehrfach geröntgt und der Arzt sagte mir, dass er keinen Defekt feststellen könne. Er gab mir Tabletten gegen die Schmerzen und wollte mich krankschreiben, was ich aber ablehnte. Es würde etwa drei Wochen dauern bis die Schmerzen weg wären, meinte er. In der folgenden Woche bekam ich ein neues Auto und die Versicherung bezahlte mir später sogar noch ein Schmerzensgeld.
Als Fazit kann ich sagen, dass ich mich nach dem Unfall sicherer im Auto fühle und bewusster fahre, weil ich weiß was passieren kann und wie es abläuft.
schwarzer_wolf - 15. Dez, 07:13

an diesen unangenehmen geruch

des airbags erinnere ich mich gut, ich dachte auch, der wagen brennt ... auch diese stille - nur ein zischen - ich dachte - nichts wie raus, womöglich explodiert der wagen gleich. hatte auch ein riesenglück ...

es verändert die art, autozufahren, da hast du recht - auch ich fahre jetzt bewußter.

wünsche dir allzeit gute fahrt!

gruss,
wolf

Trackback URL:
https://bigiron.twoday.net/stories/439615/modTrackback

logo

Big Iron

Innenwelten

Lieblingsautoren

  • Franz Kafka
  • Hermann Hesse
  • Heinrich Böll
  • Max Frisch
  • Lieblingsmusik

    Archiv

    Dezember 2004
    Mo
    Di
    Mi
    Do
    Fr
    Sa
    So
     
     
     1 
     2 
     3 
     4 
     9 
    10
    11
    12
    13
    15
    16
    17
    18
    19
    20
    22
    23
    24
    25
    27
    28
    29
    30
     
     
     

    Aktuelle Beiträge

    Dago
    Wir haben uns nur flüchtig gekannt vom Französischkurs....
    BigIron - 3. Dez, 22:28
    collage
    es ist still geworden. noch bin ich da. dunkle wolken...
    BigIron - 8. Aug, 22:48
    Wieder in Lappland
    Vor der unerträglichen Hitze bin ich in den Norden...
    BigIron - 29. Jul, 23:22
    Nach dem Sturm
    Weiße Yachten liegen am Steg und schaukeln sanft, das...
    BigIron - 7. Mär, 00:03
    Unterwegs
    Ich lief die einsame Strasse hinunter ohne Ziel, hatte...
    BigIron - 6. Mär, 01:21
    New York
    Es ist strahlend blauer Himmel als ich kurz aus dem...
    BigIron - 14. Jan, 00:49
    Im Friedrichsbad
    Zaghaft betrete ich die großen, meterhohen, in altertümlichem...
    BigIron - 1. Nov, 01:03
    Es war sehr nett auf...
    Es war sehr nett auf der Buchmesse. Ich habe mir eine...
    BigIron - 23. Okt, 22:54
    Schade, dass du nicht...
    Schade, dass du nicht kommen kannst. Die Frankfurter...
    BigIron - 22. Okt, 23:50
    Hab
    ganz viel Freude an der Buchmesse! Ich hätte sie mir...
    moonlight - 19. Okt, 20:04
    Herbst
    Ich sitze im Halbdunkel am Schreibtisch und schaue...
    BigIron - 14. Okt, 01:22
    Ach ja, die Büchermesse...
    Ach ja, die Büchermesse von der ich seit Jahren träume...
    verbannt - 3. Okt, 16:28
    Frankfurter Buchmesse
    Obwohl ich menschliche Massenansammlungen nicht mag,...
    BigIron - 3. Okt, 01:08
    Worte und Sätze
    Worte und Sätze. Erzeugt von Gedanken, Eindrücken oder...
    BigIron - 26. Sep, 21:42
    Danke, liebe Moonlight....
    Danke, liebe Moonlight. Geniessen wir den Herbstanfang...
    BigIron - 24. Sep, 23:31

    Suche

     

    User Status

    Du bist nicht angemeldet.

    Status

    Online seit 7356 Tagen
    Zuletzt aktualisiert am
    5. Feb, 00:20 - kostenlose Zugriffszähler

    Bloggen
    Du
    Gedanken
    Gedichte
    Gefuehle
    Ich
    Impressionen
    Maerchen
    Stimmungen
    Traeume
    Profil
    Abmelden
    Weblog abonnieren