Traeume

Sonntag, 17. Oktober 2004

Böser Traum

Eines Morgens wachte ich auf und erschrak. Meine Hände waren faltig und blutleer. Alles erschien mir fremd und es war unheimlich kühl. Als ich mich vom Bett erhob, spürte ich einen stechenden Schmerz im Rücken und fühlte mich elend und schwach. Meine Beine waren knochig und steif. Zitternd vor Angst und Kälte schleppte ich mich zum Fenster. Draußen lag tiefer Schnee, und die Bäume, gestern noch voller Laub, stachen wie dürres Reisig in den grauen Himmel. Wo waren die bunten Blumen und die honiggelben Weizenfelder, die zwitschernden Vögel und die alles erwärmende Sonne? Eisblumen bedeckten die Fensterscheiben und durch die weiße Wüste pfiff ein eiskalter Wind. Es war, als ging er durch mich hindurch und alles erstarrte vor ihm. Da fiel mein Blick in den Spiegel und jähes Entsetzen überkam mich: aus einem runzligen, fahlen Gesicht starrten mich aus eingefallenen Höhlen zwei trübe Augen an und graues Haar bedeckte mein Haupt. Da begriff ich: es war zu spät - und unmerklich senkte sich der Nebel, es wurde dunkel um mich.

Samstag, 16. Oktober 2004

Traumtänzer

Wenn der Tag zu Ende geht und in der Dämmerung das fahle Licht des Mondes durch die Bäume bricht, dann kommt seine Zeit. Er reckt und streckt sich, halb im Schlaf, halb im Wachen und schwingt sich auf zu frohem Spiel. Die Arme überm Kopf wirbelnd, die Beine kokett verschlungen, so schwebt er tänzelnd dahin, wie von Wolken getragen. Den Wald geschwind durchquerend, streift er über Felder und Wiesen. Nichts vermag ihn zu stören, weder Uhuruf noch Krähenschrei oder Hundegebell. Unaufhaltsam treibt es ihn weiter. Nur der Mond begleitet ihn auf seinem Weg durch die Nacht und spielt mit ihm Versteck. Da erfasst ihn ein Windstoß, er lässt sich wie eine Flaumfeder tragen und gleitet weit ins Land hinein. Mit Riesensprüngen setzt er über Schilf und Moor hinweg. Ein aufgeschreckter Haufen Vögel flattert vor ihm davon. Er tollt herum und schlägt Purzelbäume vor Vergnügen, hüpft mal auf dem einen, mal auf dem anderen Bein. Die Erde erzittert unter seinem Stampfen. Jeder Weg ist für ihn eine Freude, gierig saugt er ihn ein. Hat er einen Hügel erstürmt unter wilden Gebärden, so zieht es ihn schon zum nächsten, höheren hin, dessen dunkler Schatten ihm entgegen ragt. Hei! Er schlägt einen Haken, wenn sich ihm etwas entgegen stellt, verweilt einen Augenblick schnuppernd und lauernd, jagt dann wie besessen davon. Bald wird die Nacht vorbei sein. Noch einmal wirbelt er juchzend umher, dann werden seine Bewegungen sanfter, er dreht noch ein paar Pirouetten um einen im Nebel liegenden See. Doch als der erste Silberstreif des neuen Tages am Horizont steht, sinkt er befriedigt und müde ins nasse Gras.
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